Grundlagen Das „Null-Transistor IC“
Dieser Beitrag beschreibt eine BiCMOS-Schaltung, die nur aus Widerständen besteht und keinen einzigen Transistor enthält. Ein BiCMOS-IC ohne Transistoren, das ist wirklich ungewöhnlich! Wie kommt man darauf, ein IC ohne Transistoren zu bauen? Wer benötigt so etwas?

Antworten auf diese Fragen soll ein kleiner Exkurs in die Welt der realen Operationsverstärker-Anwendungen liefern. Die alte Binsenweisheit, dass jede Kette nur so gut ist wie ihr schwächstes Glied, gilt auch bei Operationsverstärkerschaltungen. Der mythische, ideale Operationsverstärker arbeitet mit unendlicher Verstärkung und einem Temperaturkoeffizienten von Null. In Bild 1 ist ein solcher Operationsverstärker für die nicht-invertierende Verstärkung eines Eingangssignals konfiguriert.
Was entscheidet hier über die Verstärkung der Schaltung oder, anders gefragt: welche Faktoren bestimmen die Verstärkungs-Toleranz und dessen Temperaturkoeffizienten? Ist es der Operationsverstärker selbst, oder wird dies durch die externen Widerstände bestimmt? Wer genau hinschaut, erkennt, dass das Verhältnis der Widerstände den Verstärkungsfaktor bestimmt und die Schaltung schließlich nur so gut sein kann wie diese Widerstände. Damit wird klar, dass Präzisions-Widerstandsarrays die Genauigkeit einer OpAmp-Schaltung erheblich verbessern. Diese Aussage soll nachfolgend am Beispiel einiger Arrays und Operationsverstärker untermauert werden.
Toleranz von Präzisionswiderständen – Produktionsbedingte Aspekte und mögliche Fallstricke
Die gängigen Operationsverstärker bieten unterschiedliche Bandbreiten, aber alle können vom Einsatz präziser Widerstandsarrays profitieren. Die knappen Toleranzen dieser Widerstände werden auf wichtige Parameter des Verstärkersystems übertragen. Zu diesen Parametern gehören die Verstärkungsgenauigkeit (die Abweichung beträgt teils nur 0,035 %) und der geringe Temperaturkoeffizient der Verstärkung (typ. 1 ppm/°C). Mit dem Einsatz der Präzisionswiderstände wird also ein einstmals schwaches Glied der Kette gestärkt.
Betrachten wir hierzu ein einfaches Beispiel, in dem zwei Widerstände mit einer Toleranz von 10 % zum Einsatz kommen. Man könnte gutgläubig annehmen, dass beide Widerstandswerte ungefähr in der Mitte des Toleranzbereichs liegen. Erfahrungsgemäß passiert es aber während der Produktion irgendwann, dass sich die Werte der Widerstände R1 und R2 genau an den entgegengesetzten Enden der Toleranzbänder befinden. Beim Schaltungsentwurf muss dieser ungünstigste Fall berücksichtigt werden, damit das finale komplexe System auf jeden Fall den Spezifikationen entspricht. Zu diesem Zweck sollten Entwickler ein Fehlerbudget abstecken, das die zulässigen Fehler für jeden Schaltungsteil angibt. Werden diese Teilbudgets eingehalten, ist gewährleistet, dass das gesamte System spezifikationskonform ist.
Ein Trick besteht darin, jeden Widerstand aus mehreren parallelgeschalteten Widerständen mit höheren Widerstandswerten zusammenzusetzen. Man nutzt hier die Normalverteilung des Produktionsprozesses aus, um die Toleranzen zu mitteln und die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen den richtigen Wert zu erhalten. Selbstverständlich geht diese Rechnung nur auf, wenn tatsächlich eine Normalverteilung vorliegt. Dies ist aber keineswegs sicher, und somit ist diese Annahme recht gewagt, solange der Produktionsprozess nicht der eigenen Kontrolle unterliegt.

Zum Beispiel ist es denkbar, dass der Widerstandshersteller A seine Widerstände am Rand des Toleranzbereichs produziert oder trimmt – möglicherweise wegen eines Fehlers in der chemischen Zusammensetzung oder weil die zum Trimmen verwendete Maschine an der Grenze ihres Toleranzbereichs arbeitet.
Schlimmer wird die Situation, wenn der Hersteller B zwar Widerstände produziert, deren Toleranzen der Normalverteilung unterliegen, aber seine Bauelemente sortiert. Bild 2 zeigt die Normalverteilung und die Sortierung (Binning). Wie man sieht, existieren mit Ausnahme des 1-%-Bins eigentlich jeweils zwei Bins – eines, bei dem die Widerstände über dem Nennwert liegen und eines, bei dem sie kleiner sind als der nominelle Wert.
Die durchgezogene (schwarze) Kurve mag in einer idealen Welt gut aussehen. In der Realität aber kommt es nur selten zu solch einem Idealfall. Wenn sich die Fertigungstoleranzen verändern, verändert sich die Zahl der Bauelemente in jedem Bin. Die Verteilungskurve könnte sich beispielsweise nach rechts verlagern, wie von der grün gepunkteten Kurve angedeutet, sodass es keine Bauelemente mit 1 % Toleranz mehr gibt. Ebenso ist eine bimodale Verteilung (grau gestrichelte Kurve) denkbar, mit vielen Produkten mit 5 und 10 % Toleranz und nur wenigen Bauelementen, die Toleranzen von 1 und 2 % aufweisen.
Mit dieser Methode scheint gewährleistet, dass im 2-%-Bin ausschließlich Bauelemente mit Toleranzen von –1 % bis –2 % sowie +1 % bis +2 % Toleranz (also keine Produkte mit genau 1 % Toleranz) enthalten sind. Ebenso hat es den Anschein, als kämen im 5-%-Bin keine Bauelemente mit 1 oder 2 % Toleranz vor.
Die Worte ‚scheint‘ und ‚Anschein‘ wurden hier bewusst gewählt, denn es kommen auch der Produktabsatz und der Mensch ins Spiel. Es kann beispielsweise passieren, dass große Mengen 5-%-Widerstände bestellt werden, aber nicht genügend Produkte mit dieser Toleranz verfügbar sind, während es ein Überangebot an solchen mit einer Toleranz von 2 % gibt. Möglicherweise füllt der zuständige Werksleiter dann die Lücke im 5-%-Bin mit 2-%-Widerständen auf – womit er unsere Statistik verändert und die zuvor beschriebene Methode unterläuft.
Es kommen jedoch noch weitere menschliche Faktoren hinzu. Was geschieht beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin beim Entleeren der Bins unterbrochen wird? Ist wirklich gewährleistet, dass die Bauteile nach Wiederaufnahme der Arbeit in den richtigen Behälter gelangen? Ist es sicher, dass daneben geschüttete Bauelemente richtig einsortiert werden oder entscheidet sich der Mitarbeiter für den Behälter, der am nächsten steht? Dies wäre durchaus menschlich und schließlich ist das Risiko, dass ein falsches Einsortieren entdeckt wird, denkbar gering.
Doch auch beim Bestücken der Leiterplatten ‚menschelt‘ es. Angenommen, es wird ein Widerstand mit 2,52 kΩ benötigt. Der Mitarbeiter ist sich unsicher, ob 2,520, 2,533 oder 2,531 auf der richtigen Rolle steht. Ist die nächstgelegene Rolle die richtige? Allzu schnell werden auch Widerstände verwechselt, nachdem sie aus dem Behältnis genommen wurden und beispielsweise auf den Tisch gefallen sind.
Integration von Widerstandsarrays in einem Null-Transistor-IC
Angesichts dieser vielen Fehlermöglichkeiten stellt sich die Frage, wie ein Entwickler sein Projekt vor solchen Fehlern schützen kann. Abhilfe verspricht das Null-Transistor-IC mit einem in einem IC integrierten Präzisions-Widerstandsarray.
In diesem integrierten Array lassen sich die Widerstandswerte hervorragend steuern. Abgesehen von den engen Toleranzen lässt sich das Verhältnis zwischen zwei Widerständen höchst präzise bestimmen. Schließlich ist es genau dieses Widerstandsverhältnis, das über die Verstärkung der Schaltung entscheidet. Desweiteren ist der Temperaturkoeffizient genau bekannt, und die dichte Integration, der auf ein und demselben Chip untergebrachten Widerstände, sorgt für einen ausgezeichneten Gleichlauf.
Die Widerstandsarrays werden überdies gemeinsam auf einem Wafer hergestellt und in der Regel auch zusammen automatisch geprüft und getrimmt. Auch hier könnte es Fehler geben, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter ausgesonderte Bauelemente in den Behälter mit den als einwandfrei ermittelten Bauelementen gibt. Um dies möglichst auszuschließen verwendet man automatische Prüfsysteme (Automatic Test Equipment – ATE), wo es üblich ist, dass der Behälter mit den ausgesonderten Produkten mechanisch verriegelt wird. Mit dieser Verfahrensweise wird gewährleistet, dass nur die einwandfreien Bauteile aus dem Prüfbereich entfernt und ins Lager gebracht werden, bevor man die ausgesonderten Produkte freigibt und verschrottet.
Auch beim Bestücken der Leiterplatte wird die Wahrscheinlichkeit von Montagefehlern reduziert, da jetzt mehrere Widerstände durch ein einziges Bauelement ersetzt werden. Ausserdem muss nicht mehr eine ganze Reihe von Bauelementen platziert werden, sondern nur noch ein einziger Baustein.

Werden die in Bild 1 verwendeten diskreten Widerstände durch ein Präzisions-Widerstandspaar ersetzt (Bild 3), bleibt der Schaltplan im Prinzip unverändert. Die Integration der Widerstände in einem Baustein aber bürgt jetzt für eine hervorragende Abstimmung der Widerstandswerte.
Die MAX5490-Widerstandsarrays werden wahlweise mit Toleranzen von 0,035 % (Klasse A), 0,05 % (Klasse B) oder 0,1 % (Klasse C) angeboten, auch die Temperaturdrift der Bausteine ist gering. Die temperaturbedingte Schwankung des Widerstandsverhältnisses (und somit auch der Verstärkung) ist über einen Temperaturbereich von –55 bis 125 °C garantiert kleiner als 1 ppm/°C. Der Komplett-Widerstandswert beträgt 100 kΩ.
Fünf standardisierte und beliebige kundenspezifische Widerstandsverhältnisse zwischen 1:1 und 100:1 sind in SOT23-Gehäusen mit 3 Pins verfügbar. Dabei vertragen die Widerstände eine weit höhere Spannung als üblicherweise bei OpAmps vorkommen, bis zu 80 V an der Summe von R1 und R2. Die Langzeitstabilität beträgt typisch 0,03 % (über 2.000 Stunden bei 70 °C).

Das Präzisions-Widerstandspaar MAX5490 erlaubt die Verwendung normaler Anwendungsschaltungen für Operationsverstärker. Die einfachsten gängigen Schaltungen sind in den Bildern 4, 5 und 6 wiedergegeben.
Aus dem Datenblatt zum MAX5490 geht hervor, dass die Bandbreite 1/2π RC beträgt. Dabei ist C = CP3 und R = (R1 R2) / (R1 + R2). Da CP3 3 pF ist, beträgt die Bandbreite 3 MHz. Hierbei wird vorausgesetzt, dass der Operationsverstärker genügend Bandbreite besitzt, um diese Bandbreite zu unterstützen.
In unserem Beispiel verwendeten wir ein Paar 50-kΩ-Widerstände, wodurch die zu erwartenden Ströme niedrig bleiben.

Bei kleineren Widerständen nehmen die Stromstärken zu und die Eigenerwärmung sowie deren Auswirkung über den Temperaturkoeffizienten ist zu berücksichtigen.
Im Datenblatt wird im Detail auf die Berechnungen eingegangen, die zur Bestimmung dieses Effekts angestellt werden müssen.
Man hat die Wahl zwischen unterschiedlichen End-to-End Widerstandswerten, dem MAX5490 mit 100 kΩ, dem MAX5491 mit 30 kΩ und dem MAX5492, dessen End-to-End-Widerstand 10 kΩ beträgt.
Diese Bausteine sind in zahlreichen Standard-Teilverhältnissen und bei größeren Stückzahlen auch in kundenspezifischen Teilverhältnissen lieferbar.

Wie dieser Artikel gezeigt hat, ist das Konzept eines Null-Transistor-IC keineswegs so abwegig, wie es zunächst erscheinen mag. Dies gilt insbesondere dann, wenn hierdurch die Produktion von Widerstandsteilern mit extrem guten Toleranzwerten ermöglicht wird. Schließlich sind hervorragende Verstärkerbausteine in der Praxis auf präzise abgestimmte Widerstandsverhältnisse angewiesen.
Von Bill Laumeister, Maxim Integrated.