Welchen Widerstand für die High-Side-Strommessung wählen?
Frage: Ist ein 100-Ω-Widerstand vor einem MOSFET-Gate Voraussetzung für Stabilität? Antwort: Auf die Fage, wie man ein MOSFET-Gate beschaltet, wird ein erfahrener Ingenieur antworten „mit einem Widerstand von etwa 100 Ω”. Sie können sich darüber wundern und den Nutzen sowie den Widerstandswert in Frage stellen. Aus reiner Neugier wollen wir diese Aussage untersuchen.
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Neubi, ein junger Applikationsingenieur, möchte herausfinden, ob es tatsächlich notwendig ist, aus Gründen der Stabilisierung ein MOSFET-Gate mit einem 100-Ω-Widerstand zu beschalten. Gureux, ein Applikationsingenieur mit 30 Jahren Erfahrung, überwacht die Experimente und gibt fachliche Ratschläge.
Die High-Side-Strommessung
Die Schaltung in Bild 1 zeigt ein typisches Beispiel für eine High-Side-Strommessung. Eine negative Feedback-Schleife zwingt die Spannung USENSE auf einen Verstärkungswiderstand RGAIN. Der Strom durch RGAIN fließt über den P-Kanal-MOSFET (PMOS) zum Widerstand ROUT, an dem eine auf Masse bezogene Ausgangsspannung entsteht. Die gesamte Verstärkung berechnet sich nach Gleichung 1.
Der Kondensator COUT über dem Widerstand ROUT dient zum Filtern der Ausgangsspannung. Selbst wenn der Drain-Strom des PMOS schnell dem gemessenen Strom folgt, wird die Ausgangsspannung einer Exponentialfunktion erster Ordnung folgen.
Der Widerstand RGATE im Schaltbild trennt den Verstärker vom PMOS-Gate. Was ist der Wert? „100 Ω natürlich!”, könnte der erfahrene Kollege Gureux sagen.
Hohe Widerstandswerte ausprobieren
Unser Freund Neubi denkt über diesen Gate-Widerstand nach. Neubi glaubt, dass dieser mit genügend Kapazität zwischen Gate und Source oder mit einem genügend großen Gate-Widerstand Stabilitätsprobleme hervorrufen könnte. Sobald klar ist, dass RGATE und CGATE nachteilig zusammenwirken, kann der Mythos, dass 100 Ω oder praktisch jeder Gate-Widerstand automatisch geeignet sind, widerlegt werden.
Bild 2 zeigt ein Beispiel einer LTspice-Simulation, mit der das Verhalten der Schaltung verdeutlicht werden soll. Neubi führt Simulationen durch, um die Stabilitätsprobleme zu zeigen, von denen er glaubt, dass sie mit zunehmendem RGATE auftreten. Letzten Endes sollte sich die Polstelle von RGATE und CGATE den zur offenen Regelschleife gehörenden Phasenspielraum beeinträchtigen. Doch zu Neubis Verwunderung ergibt sich bei keinem Wert von RGATE ein Problem beim Verhalten im Zeitbereich.
Es stellt sich heraus – die Schaltung ist nicht einfach
Als er den Frequenzverlauf untersucht, stellt Neubi fest, dass er das Verhalten des offenen Regelkreises ermitteln muss. Der Vorwärtspfad, der die Regelschleife in Kombination mit der Gegenkopplung bei Verstärkung Eins bildet, beginnt bei der Differenz und endet am resultierenden negativen Eingang.
Anschließend simuliert Neubi das Verhalten und druckt US/(UP – US) oder US/UE aus. Bild 3 zeigt den Frequenzverlauf für dieses Verhalten bei offener Regelschleife. Das Bode-Diagramm in Bild 3 zeigt eine nur sehr niedrige DC-Verstärkung und keine Probleme beim Phasenspielraum beim Übergang. Genau genommen sieht die Kurve merkwürdig aus, da die Übergangsfrequenz weniger als 0,001 Hz beträgt.
Die Zerlegung der Schaltung in ein Steuersystem zeigt Bild 4. Der LTC2063, genau wie fast alle Operationsverstärker mit Spannungsrückkopplung, startet mit hoher DC-Verstärkung und einer Polstelle. Der Operationsverstärker verstärkt das Fehlersignal und treibt das PMOS-Gate durch den RGATE-CGATE-Filter. CGATE und die PMOS-Source sind zusammen mit dem Eingang –IN des Operationsverstärkers verbunden.
RGAIN ist von diesem Schaltungsknoten aus mit der Source mit niedriger Impedanz verbunden. Selbst in Bild 4 könnte man annehmen, dass der RGATE-CGATE-Filter Stabilitätsprobleme verursacht, speziell wenn RGATE wesentlich größer ist als RGAIN. Letzten Endes treten bei der CGATE-Spannung, die direkt den Strom RGAIN im System beeinträchtigt, keine Änderungen am Ausgang des Operationsverstärkers auf.
Neubi hat eine Erklärung dafür, warum RGATE und CGATE keine Instabilität hervorrufen: „Nun, die Gate-Source-Spannung ist fest und somit ist der RGATE-CGATE-Schaltkreis nicht relevant. Man muss lediglich das Gate einstellen und die Source folgt. Es ist ein Source-Folger.“
Sein erfahrenerer Kollege Gureux meint: „Eigentlich nicht. Dies gilt nur, wenn der PMOS normal als Verstärkerblock in der Schaltung arbeitet.”
Dadurch angespornt, befasst sich Neubi mit dem mathematischen Zusammenhang. Was wäre, wenn man das Verhalten zwischen Source und Gate des PMOS direkt modellieren könnte? Mit anderen Worten, was ist U(US)/U(UG)? Neubi geht zur Tafel und schreibt die Gleichungen 2 und 3 auf:
Mit ωG= 1 / RG CG, OPV-Verstärkung A und OPV-Pol ωA.
Neubi erkennt sofort den wichtigen Term gm. Was ist gm? Für einen MOSFET gilt gm= (2Kn Id)-1/2
Bei einem Blick auf die Schaltung in Bild 1 geht Neubi ein Licht auf. Bei einem Strom von 0 A durch den Widerstand RSENSE sollte der Strom durch den PMOS ebenfalls 0 A betragen. Bei einem Strom von 0 A ist gm Null, da der PMOS effektiv ausgeschaltet ist, nicht genutzt wird und nicht vorgespannt ist und keine Verstärkung hat. Wenn gm = 0 ist US/UE 0 bei 0 Hz und US/UG 0 bei 0 Hz. Somit ist keine Verstärkung vorhanden und die Kurven in Bild 3 sind richtig.
Instabilitäten mit dem LTC2063 versuchen
Gerüstet mit dieser Erkenntnis, probiert Neubi schnell ein paar Simulationen mit einem Strom ISENSE, der nicht Null ist.
Bild 5 zeigt, was wie ein wesentlich normalerer Verstärkungs/Phasen-Graph des Verlaufs von UE zu US bei einem Übergang von >0 dB zu <0 dB aussieht. Bild 5 sollte etwa 2 kHz zeigen, mit reichlich PM bei 100 Ω, etwas weniger PM bei 100 kΩ und noch weniger mit 1 MΩ, aber nicht instabil.
Neubi geht ins Labor und wählt einen Messstrom mit dem High-Side-Messschaltkreis LTC2063. Er fügt einen RGATE mit hohem Widerstandswert ein, zuerst 100 kΩ und dann 1 MΩ, und erwartet ein instabiles Verhalten, zumindest aber eine Art Ringing. Doch leider ist das nicht der Fall.
Er versucht, den Drain-Strom im MOSFET zu erhöhen, indem er zuerst einen höheren ISENSE wählt, und dann einen kleineren Verstärkungswiderstand RGAIN. Nichts kann die Schaltung destabilisieren.
Er wendet sich erneut der Simulation zu und versucht, eine Phasenreserve mit einem Strom von ISENSE, der nicht Null ist, zu verringern. Selbst in der Simulation erscheint es schwierig, falls nicht unmöglich, Instabilität oder geringe Phasenreserve zu finden.
Neubi fragt Gureux, warum es ihm nicht gelingt, den Schaltkreis zu destabilisieren. Gureux rät ihm, die Zahlen genauer zu betrachten. Neubi ist Rätsel von Gureux gewohnt und untersucht, was die tatsächliche Polstelle in Verbindung mit RGATE und die gesamte Gate-Kapazität sein könnte. Bei 100 Ω und 250 pF liegt die Polstelle bei 6,4 MHz; mit 100 kΩ bei 6,4 kHz und mit 1 MΩ bei 640 Hz. Das Verstärkungs-Bandbreiten-Produkt (GBP) des LTC2063 beträgt 20 kHz. Wenn der LTC2063 mit Verstärkung betrieben wird, kann die Übergangsfrequenz (Crossover-Frequenz) bei geschlossenem Regelkreis leicht unter den Bereich des RGATE-CGATE-Pols gleiten.
Ja, Instabilität ist erreichbar
Indem er erkennt, dass das dynamische Verhalten des OPV sich bis in den Bereich des RGATE-CGATE-Pols fortsetzen muss, wählt Neubi ein größeres GBP. Der 5-V-OPV LTC6255 passt direkt in die Schaltung mit einem höheren GBP von 6,5 MHz.
Eifrig versucht Neubi eine Simulation mit Strom, dem LTC6255, 100 kΩ Gate-Widerstand und mit 300 mA Messstrom. Neubi macht dann weiter und bringt RGATE in die Simulation ein. Mit genügend RGATE kann eine zusätzliche Polstelle einen Schaltkreis destabilisieren.
Die Bilder 6 und Bild 7 zeigen Simulationsergebnisse mit hohen RGATE-Werten. Bei einem konstanten Messstrom von 300 mA zeigt die Simulation Instabilität.
Messergebnisse
Weil er sehen möchte, ob der Schaltkreis sich beim Messen eines Stromes von ungleich Null negativ verhalten könnte, probiert Neubi den LTC6255 mit einem stufenförmigen verlaufenden Laststrom und nutzt drei verschiedene RGATE-Werte. ISENSE geht von einer Basis von 60 mA auf einen höheren Wert von 220 mA über, ermöglicht durch einen Schalter, der mehr parallelen Lastwiderstand einbringt. Es gibt keine Nullstrom-ISENSE-Messung, da bereits gezeigt wurde, dass die MOSFET-Verstärkung in diesem Fall zu niedrig ist.
In der Tat zeigt Bild 8 schließlich eine beeinträchtigte Stabilität mit Widerständen von 100 kΩ und 1 MΩ. Da die Ausgangsspannung stark gefiltert ist, wird die Gate-Spannung zum Detektor für Ringing. Ringing kennzeichnet eine geringe oder negative Phasenreserve und die Ringing-Frequenz bezeichnet die Übergangsfrequenz (Crossover Frequency).
Ein Augenblick der Ideenfindung
Neubi wird sich bewusst, dass er viele High-Side-Messschaltkreis-ICs gesehen hat und es unglücklicherweise keine Chance für einen Ingenieur gibt, den Gate-Widerstand zu bestimmen, da sich alle Funktionen innerhalb des Bausteins befinden. Beispiele, die ihm in den Sinn kamen, waren die Hochvolt-/High-Side-Strommessbausteine AD8212, LTC6101, LTC6102 und LTC6104. Tatsächlich nutzt der AD8212 einen PNP-Transistor statt einen PMOSFET. Er sagt zu Gureux: „Hey, es ist wirklich nicht wichtig, da moderne Bausteine dieses Problem bereits lösen.”
Als ob er diese Bemerkung erwartet hätte antwortet der Lehrer, Neubi fast das Wort abschneidend: „Angenommen du möchtest eine Kombination aus extrem niedrigem Versorgungsstrom und einen driftfreien Eingangsoffset wie etwa in einem batteriegespeisten Messinstrument verwenden. Und du möchtest vielleicht einen LTC2063 oder LTC2066 als primären Verstärker einsetzen. Oder, vielleicht musst du einen niedrigen Strom messen, möglicherweise über einen Shunt mit 470 Ω und so genau und rauscharm wie möglich. In diesem Fall könntest du den ADA4528 einsetzen, der Rail-to-Rail-Eingangsverhalten aufweist. In diesen Fällen musst du dich mit der MOSFET-Treiberschaltung befassen.”
Und so…
Offensichtlich ist es dann möglich, die High-Side-Strommmessschaltung mit einem zu großen Gate-Widerstand zu destabilisieren. Neubi führt dieses Ergebnis auf seinen wohlwollenden Lehrer Gureux zurück. Gureux stellt fest, dass RGATE in der Tat die Schaltung destabilisieren kann, doch die anfängliche Unfähigkeit, dieses Verhalten herauszufinden, resultierte aus einem falsch formulierten Problem. Es muss Verstärkung vorhanden sein, was in dieser Schaltung erforderlich ist, um ein „Non-Zero-Signal“ zu messen.
Gureux antwortet: „Sicher, wenn ein Pol die Phasenreserve bei einem Übergang (Crossover) negativ beeinträchtigt, entsteht Ringing. Doch dein hinzugefügter Gate-Widerstand von 1 MΩ ist absurd — selbst 100 kΩ ist verrückt. Denke daran, es ist immer gut zu versuchen, den Ausgangsstrom eines OPV zu begrenzen, falls er versucht, eine Gate-Kapazität von einer zur anderen Versorgungsschiene zum Schwingen zu bringen.“
Neubi stimmt dem zu. „Welchen Widerstandswert verwende ich also?“ Gureux antwortet zuversichtlich: „100 Ω“.
* Aaron Schultz ist leitender Applikationsingenieur im Geschäftsbereich LPS bei Analog Devices in Norwood / U.S.A.
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