Raspbian-Update: Alle Neuerungen für Raspberry Pi auf einen Blick
Raspbian ist das von der Raspberry Pi Foundation favorisierte Betriebssystem für Raspberry Pi. Das neue Update enthält etwa den Bildschirmleser Orca. Simon Long, Senior Principal Software Engineer bei der Foundation, stellt das Update detailliert vor.

Mit dem Erscheinen des jüngsten Modells Raspberry Pi 4B im Jahr 2019 präsentierte die Raspberry Pi Foundation das letzte umfassende Update für Raspbian, Raspbian Buster. Danach folgten nur unwesentliche Änderungen; meist waren es Korrekturen von Fehlern. Das jüngste Update bietet nicht nur Neuerungen wie Bildschirmleser, Scratch-Blöcke und Pixelverdopplung, sondern auch Korrekturen früherer Updates.
Denn es ist schwierig, ein Betriebssystem an die Wünsche der Nutzer anzupassen – man wird es nie allen recht machen können. So ging es auch der Raspberry Pi Foundation mit Raspbian: „Wir haben einige signifikante Änderungen am Dateimanager PCmanFM vorgenommen, der Teil des Raspberry Pi Desktop ist. Wir haben einen Abschneidemodus hinzugefügt, der viele der weniger häufig genutzten Funktionen entfernt, und wir haben diesen als Standardmodus festgelegt.“
Betroffen von dieser Änderung war beispielsweise die Ansicht „Places“, eine optionale Ansicht für den linken Fensterteil, der einen direkten Zugriff auf einige Stellen im Dateisystem bot. „Wir gingen davon aus“, so Simon Long, „dass der Verzeichnis-Browser nützlicher sei“. Mit dieser Aktion gingen aber auch eine nützliche Funktion von „Places“ verloren, nämlich der direkten Anzeige von externen Laufwerken. USB-Geräte, etc. mussten jetzt umständlich im Dateimanager gesucht werden.
Die Rückkehr von „Places“
„Wir haben die Ansicht „Places“ wieder eingeführt, allerdings nicht als separate schaltbare Ansicht, sondern als kleines Panel am oberen Rand des Verzeichnis-Browsers. Dies bietet hoffentlich das Beste aus beiden Welten: einfachen Zugang zu USB-Laufwerken und eine Verzeichnisansicht“, so Simon Long. Die Nutzer können zudem über “Preferences“ selbst wählen, was „Places“ zeigen soll – oder es gleich ganz ausschalten. Weitere kleinere Änderungen am Dateimanager sind etwa das Ergänzen des Icons “New Folder“ und die Dreiecke vor den Ordnern werden in der aktuellen Raspbian-Variante nur noch gezeigt, wenn dieser Unterordner enthält.
Screenreader Orca für Menschen mit Sehschwächen
„Wir wollten die Arbeitsfläche schon seit längerem für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen verbessern“, so Simon Long. „Deshalb baten wir die Wohltätigkeitsorganisation AbilityNet, den Raspberry Pi Desktop zu bewerten, um festzustellen, wie gut er für Menschen mit Einschränkungen geeignet ist, und wo wir Verbesserungen vornehmen können. Ihr Vorschlag war, den Screenreader Ocra mit dem Desktop zu verknüpfen.“
Ocra ist ein Bildschirmlesetool, das auf einen Sprach-Synthesizer zurückgreift, um etwa Menüs, Schaltflächen, etc. vorzulesen. Doch obgleich es sich dabei um eine Standard-Linux-Funktion handelt, lief Ocra auf Raspberry Pi und Raspbian nicht zufriedenstellend: „Als ich ihn das erste Mal installierte, hörte ich nur Knurrgeräusche anstatt Sprache“, so Simon Long. „Doch nach einigem Getüftel funktioniert Ocra jetzt wie gewünscht und sollte viele der vorinstallierten Anwendungen auslesen und auch mit anderen Linux-Softwarepaketen zusammenarbeiten.“
„Leider“, schränkt Simon Long ein, „gibt es Bereiche, in denen Ocra nicht funktioniert: Orca hängt sich an verschiedene Benutzeroberflächen-Toolkits an – die Software, die zum Zeichnen von Schaltflächen, Menüs, usw. auf dem Bildschirm verwendet wird. Ocra ist vollständig kompatibel mit dem GTK-Toolkit (das für den größten Teil des Desktops verwendet wird) und Qt (das der VLC-Media-Player und der qpdfview-PDF-Viewer nutzen). Aber viele Anwendungen wie Thonny, Sonic Pi und die Programmiersprache Scratch basieren auf Toolkits, die nicht mit dem Bildschirmleser kompatibel sind. Auch die aktuelle Version von Chromium ist nicht Orca-kompatibel, aber die kommende Version 80, die in einigen Monaten verfügbar sein sollte, soll Ocra meistern.“
Für all jene, die bereits jetzt einen Orca-kompatiblen Browser wünschen, empfiehlt Simon Long, Firefox zu installieren – allerdings sollten Nutzer nur dann Firefox installieren, wenn sie Orca wirklich benötigen. Denn, so Simon Long, „Firefox ist nicht für die Videowiedergabe auf dem Pi mit Raspbian in der gleichen Weise optimiert wie Chrome“.
Wer Firefox installieren möchte, gibt folgenden Befehl im Terminalfenster ein:
sudo apt install firefox-esr
Orca kann über folgende Befehlseingabe im Terminal installiert werden:
sudo apt install orca
Da Orca keinen Menüeintrag hat, kann der im linken Bild gezeigte Einstellungsdialog durch Halten der Einfügetaste und Drücken der Leertaste oder durch Eingeben des folgenden Befehls im Terminalfenster geöffnet werden:
orca -s
Simon Long weist darauf hin, „dass Orca derzeit nicht mit Bluetooth-Audiogeräten funktioniert, daher empfehlen wir, Orca entweder mit dem HDMI-Ausgang, dem Kopfhöreranschluss des Raspberry Pi oder mit einem externen USB- oder HAT-kompatiblen Audiogerät zu verwenden“.
Simon Long betont, dass die Raspberry Pi Foundation diese Behelfsmöglichkeiten „nur als Anfang sieht und in Zukunft mehr Arbeit investieren möchte, um den Raspberry Pi Desktop für Menschen mit Einschränkungen zugänglicher zu machen“.
Neue Scratch-Blöcke
Scratch, entwickelt am MIT, ist eine visuelle Programmiersprache, die es selbst Kindern ermöglicht, ohne Vorkenntnisse in kurzer Zeit mit dem Programmieren zu beginnen. Variante Scratch 3, installierbar ab Raspbian Buster, kann im aktuellen Raspian-Update ein „Projekt beim Start von der Kommandozeile laden (scratch3 filename.sb3)“.
Desweiteren bietet dieses Raspbian-Update „zwei neue Blöcke in der Sense-HAT-Erweiterung „display stage“ und „display sprite“. Der erste davon zeigt, so Simon Long, „die aktuelle Stufe auf dem SenseHAT-LED-Array an; der zweite das aktuelle Sprite auf den LEDs“.
Verbesserungen der Phyton-IDE Thonny
Seit 2017 ist die Phyton-IDE Thonny in Raspbian installiert. Diese bietet sowohl Anfängern als auch erfahrenen Nutzern hilfreiche Funktionen. So ist etwa ab Thonny 3, enthalten ab Raspbian Version 2018-11-13, neben Breakpoints auch ein Assistent enthalten, der den Python-Code auf Konformität prüft.
Die Raspberry Pi Foundation entwickelt Thonny stetig weiter. „In diese Version ist viel Arbeit investiert worden“, betont Simon Long, „um die Leistung zu verbessern, insbesondere bei der Fehlersuche. In früheren Versionen führte das Setzen von Haltepunkten zu einer erheblichen Verlangsamung der Performance – dies war besonders offensichtlich bei der Ausführung von PyGame-Zero-Spielen, wo die Bildfrequenz sehr langsam war.“ Die neue Version sei wesentlich schneller, verspricht Simon Long: „Sie können dies feststellen, wenn Sie Haltepunkte in einem der Python-Spiele aus Eben Uptons Buch ‘Code the Classics - Volume 1’, die jetzt von ‘Recommended Software’ aus installierbar und im Menü ‘Spiele’ zu finden sind. Wenn Sie sich den Code für die Spiele ansehen möchten, finden Sie diesen in:“
/usr/share/code-the-classics
Lautstärkeregelung und Displayeinstellungen
In früheren Versionen von Raspbian gab es im Hauptmenü eine Anwendung „Audiogeräte-Voreinstellungen“, um gerätespezifische Einstellungen für externe Audiogeräte zu ermöglichen. „Diese wurde nun entfernt,“ so Simon Long. „Alle Einstellungen sind nun direkt über das Lautstärke-Plugin in der Taskleiste verfügbar. Wenn ein externes Gerät als Ausgabe- oder Eingabegerät ausgewählt ist, klicken Sie mit der rechten Maustaste auf das Lautstärkesymbol, und wählen Sie die Option ‘Ausgabegeräte-Einstellungen...’ oder ‘Eingabegeräte-Einstellungen...’, um den Konfigurationsdialog zu öffnen.“
Wer mit dem neuen Raspbian-Update verhindern möchte, dass Raspberry Pi den Monitor nach einer voreingestellten Zeit abdunkelt, findet diese Einstellung nun in der „Raspberry Pi Configuration“. Um diese Einstellungen übersichtlicher zu gestalten, haben die Entwickler des neuen Raspbian-Betriebssystemupdates die Optionen der Registerkarte „System“ auf zwei Registerkarten aufgeteilt und „alle anzeigerelevanten Optionen, einschließlich der Bildschirmausblendung, der neuen Registerkarte ‘Anzeige’ zugeordnet.“
Pixelverdopplungs-Option für Raspberry Pi 4B für besseres Sehen
In Sachen Performance trumpft Raspberry Pi 4B richtig auf; er soll bis zu drei Mal schneller als sein Vorgänger, RPi 3 B+ sein. Das leuchtet ein, denn Raspberry Pi 4B ist eine komplett überarbeitetes Raspberry-Pi-Modell mit neuem, leistungsstarken System-on-Chip (SoC), BCM2711 mit 4 x 1,5 GHz – ein 64-Bit-Quadcore-SoC mit Cortex-A72 (ARM v8). Raspberry Pi 4B bietet erstmals statt 1 bis zu vier GB Arbeitsspeicher – erstmals in der Variante DDR4 statt DDR2, echtes GBit-LAN, USB 3 statt USB 2 und Dual-Monitorbetrieb.
Die Raspberry Pi Foundation hat daher für Raspberry Pi 4B die Pixelverdoppelungsoption wieder eingeführt. Der gemeinnützigen Raspberry Pi Foundation war an dieser Option sehr gelegen, denn „die Pixelverdopplungs-Option wurde entwickelt, um den Bildschirm des Raspberry Pi für Menschen mit Sehbehinderungen einfacher zu bedienen. Sie verdoppelt die Größe jedes Pixels und skaliert den gesamten Bildschirm um den Faktor zwei”, so Simon Long. Ursprünglich wurde die Pixelverdoppelungs-Option auf eine Weise implementiert, die mit dem KMS-Videotreiber, der auf Raspberry Pi 4B verwendet wird, nicht kompatibel ist“, so Simon Long. „Aber wir haben jetzt einen Weg gefunden, dass sie mit KMS funktioniert.“
Von Windows abgeschaut
Last but not least hat die Raspberry Pi Foundation eine Änderung der Tastenkürzel vorgenommen: „In früheren Versionen von Raspbian startete die Kombination <Strg-Alt-Entf> den Task-Manager. Wir waren der Meinung, dass es besser wäre, sich dem Verhalten von Windows-PCs anzupassen, deshalb startet jetzt <Strg-Alt-Entf> den Dialog für die Abschaltoptionen. Wenn Sie den Task-Manager über eine Tastenkombination aufrufen möchten, können Sie dies jetzt unter Raspbian mit <Strg-Shift-Escape> vornehmen – ebenfalls in Übereinstimmung mit Windows“, so Simon Long.
Download und Update von Raspbian
Wie gewohnt bietet die Raspberry Pi Foudation das Raspbian-Update auf ihrer Onlineseite zum Download an. Um ein Update einer früheren Raspbian-Variante vorzunehmen, verwenden Sie die üblichen Terminal-Befehle:
sudo apt update
sudo apt full-upgrade
„Ich hoffe, Sie finden Gefallen an unseren Änderungen. Jedes Feedback ist uns willkommen“, fasst Simon Long zusammen.
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