ESD-, EFT- und Stoßspannungs-Festigkeit in Industrieanlagen verbessern

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Dieser Artikel erläutert, wie sich durch Isolation die Störfestigkeit von Industrieanlagen gegenüber elektrostatischen Entladungen und elektrisch schnellen Transienten sowie Stoßspannungen verbessern lässt.

Bild 1: Spannungen und Ströme bei Störfestigkeitstests gegen transiente Störgrößen in einem nicht isolierten System.
Bild 1: Spannungen und Ströme bei Störfestigkeitstests gegen transiente Störgrößen in einem nicht isolierten System.
(Bild: TI)

Von Industrieanlagen wird erwartet, dass sie auch unter rauen Umgebungsbedingungen zuverlässig arbeiten. Allerdings kann es in den Kabeln, die die Ein- und Ausgänge der verschiedenen Apparaturen miteinander verbinden, zu Spannungen und Strömen kommen, die aus den unterschiedlichsten Störquellen resultieren.

So können beispielsweise in Kabeln und Leitungen, die in der Nähe von Motoren verlaufen, hohe Spannungen und hochfrequente, schnelle transiente elektrische Störgrößen (Electrical Fast Transients – EFTs) auftreten.

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Blitzschläge, die Stoßspannungen verursachen, können induktiv in lange Kabel und Leitungen einkoppeln oder sich indirekt durch Netzteile fortpflanzen. Steckverbinder oder exponierte Bauteile wiederum sind möglicherweise elektrostatischen Entladungen (Electrostatic Discharge – ESD) ausgesetzt, wenn sie bei der Bedienung oder Wartung von Menschen berührt werden. Bei allen Störbeeinflussungen müssen Industrieanlagen jedoch weiter unbeeinflusst funktionieren.

Eine gute Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) gestaltet sich bei isolierten Systemen anders als bei nicht isolierten Systemen.

Im folgenden Artikel geht es darum, wie sich die Isolation nutzen lässt, um die ESD-, EFT- und Stoßspannungs-Festigkeit zu verbessern. Tatsächlich lassen sich durch sorgfältiges Design Verbesserungen der Leistungsfähigkeit sowie geringere Systemkosten erzielen.

EMV-Prüfung von Spannungen und Strömen bei nicht-isolierten Systemen

In [1] sind Details zu den Spannungs- und Stromprofilen von Störimpulsen und den zeitlichen Abläufen von ESD-, EFT- und Stoßspannungs-Prüfungen nach den Vorgaben der International Electrotechnical Commission (IEC) beschrieben.

Bild 1 zeigt das Blockschaltbild eines nicht isolierten Systems mit den Angaben der Spannungen und Ströme, die bei ESD-, EFT- oder Stoßspannungs-Ereignissen auftreten.

In einem nicht isolierten System sind alle Schaltungen, darunter auch die Bausteine zum Schutz vor transienten Störgrößen, mit dem Schutzleiter (Protective Earth – PE) verbunden.

TVS-Dioden als Schutz gegen ESD/EFT und Transienten

Moderne TVS-Bausteine (Transient Voltage Suppressor) werden wegen ihrer geringen Kapazität bevorzugt als Schutzkomponenten für die schnelle Datenübertragung eingesetzt. Sie lassen sich in jeden Knoten eines aus mehreren Knoten bestehenden Netzwerks einbauen, ohne dass die Datenrate verringert wird.

Mit Ansprechzeiten von wenigen ps und ihrer Eignung für Leistungen bis zu mehreren kW stellen TVS-Dioden die effektivste Schutzmaßnahme gegen ESD- und Burst/EFT-Phänomene sowie Stoßspannungs-Transienten dar.

Bausteine zum Schutz vor transienten Störgrößen leiten die von diesen Ereignissen induzierten hohen Ströme an den Schutzleiter ab. Diese Schutzbausteine müssen so konstruiert sein, dass die Spannungen, die an den Stromversorgungs- und I/O-Anschlüssen entstehen, auf Werte geklemmt werden, die unter den maximal zulässigen Spannungen der mit diesen Anschlüssen verbundenen Schaltungen liegen.

Beispielsweise kann eine TVS-Diode, die eine transiente Stoßspannung von 1 kV auf 50 V klemmt, zum Schutz von Transceivern und I/O-Schaltungen verwendet werden, die Spannungsspitzen bis 50 V verkraften.

Liegt die Klemmspannung der TVS-Diode deutlich höher als die sichere Betriebsspannung der Transceiverschaltungen, können zum Schutz der I/O-Schaltungen zusätzliche Bauelemente (z.B. Vorschaltwiderstände) verwendet werden. In [1] sind Schutzschaltungen für nicht isolierte RS-485-Transceiver beschrieben.

Fehler und Signaleinbrüche durch TVS-Bausteine

Während eines transienten Ereignisses an den Transceiver- und I/O-Pins klemmen die TVS-Bausteine die Spannung auf eine bestimmte Klemmspannung UC. Diese Klemmung allerdings hat einen Verlust der regulären Signalisierung auf dem Kommunikationskanal zur Folge, denn diese ‚ertrinkt‘ praktisch in der Energie des transienten Impulses, was potenziell zu Signaleinbrüchen oder fehlerhaften Impulsen auf der Kommunikationsleitung führt.

Die Fehlerimpulse sind mindestens so lang wie die transienten Störimpulse (100 ns bei ESD- und EFT-Phänomen bzw. 100 µs bei Stoßspannungen) und wiederholen sich gemäß den Testwiederholungs-Mustern.

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Um das A-Kriterium (keine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit beim Anlegen der transienten Störgrößen) zu erfüllen, müssen die besagten Fehlerimpulse mithilfe von RC-Filtern oder digitalen Filtern im Host-Controller bzw. durch Fehlererkennung und erneute Übertragung ausgefiltert werden.

Alle Methoden beeinträchtigen jedoch den Durchsatz des Kommunikationskanals, erhöhen die Kosten und resultieren in einem erhöhten Rechenaufwand für den Host-Controller.

EMV-Prüfung von Spannungen und Strömen in isolierten Systemen

In Bild 2 ist das Blockschaltbild eines isolierten Systems zu sehen, wiederum mit Angabe der bei ESD-, EFT- oder Stoßspannungs-Ereignissen entstehenden Spannungen und Ströme. In diesem Beispiel allerdings sind die Transceiver und anderen I/O-Ports mithilfe von Digitalisolatoren vom Host-Controller isoliert.

Der Host-Controller nutzt den Schutzleiter als Bezugspotenzial. Die (‚heiße‘) Schnittstellen-Seite des Systems einschließlich der TVS-Bausteine ist dagegen auf eine auf gleitendem Potenzial befindliche isolierte Masse (ISO GND) bezogen, und ein isolierter Gleichspannungswandler erzeugt die Versorgungsspannung für die heiße Seite.

Zwischen ISO GND und PE liegt eine parasitäre Kapazität CISO. Diese Kapazität ist die Summe der Isolations- bzw. Grenzschicht-Kapazitäten aller verwendeten Isolationselemente (Isolatoren, Optokoppler, Übertrager) sowie aller aus der Leiterplatte resultierenden Kapazitäten.

Mit den Spannungs- und Stromprofilen, wie sie in den Normen definiert sind, und den definierten Ausgangsimpedanzen der Generatoren und Klemmschaltungen lassen sich elektrische Modelle der verschiedenen transienten Phänomene erstellen. Das Blockschaltbild in Bild 2 simuliert die Auswirkungen dieser transienten Ereignisse.

Die Spannung an der Isolationsbarriere

Während einer transienten Störgröße an den Schnittstellen-Pins schalten die TVS-Bausteine ein, sodass an ihnen eine relativ geringe Spannung abfällt. Demzufolge liegt die gesamte Leerlaufspannung der Störgröße an der Isolationsbarriere. Zum Beispiel führt ein ESD-Impuls von 8 kV an den Interface-Pins zu einer Belastung der Isolationsbarriere zwischen ISO GND und PE mit eben diesen 8 kV.

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Reduzieren lässt sich diese Spannungsbelastung der Isolationsbarriere mit zusätzlichen, sicherheitszertifizierten Kondensatoren als zusätzliche Bauteile parallel zur Isolationsbarriere, da hierdurch der effektive Wert von CISO vergrößert wird. Kurzzeitige ESD- und EFT-Impulse lassen sich einfacher filtern als eine Stoßspannung.

Die Simulationsergebnisse in Bild 3a geben das Filtern eines ESD-Impulses von 8 kV auf unter 5 kV wieder, wenn CISO einen Wert von 100 pF hat. Bild 3b veranschaulicht, wie sich ein EFT-Impuls von 4 kV mit CISO = 1 nF auf weniger als 2 kV verringern lässt.

ESD-Impulse von 8 kV und EFT-Impulse von 4 kV an der Isolation

Nur wenige heute auf dem Markt verfügbare Isolationstechnologien – darunter auch die verstärkten Isolatoren von Texas Instruments – werden mit ESD-Impulsen von 8 kV und EFT-Phänomenen von 4 kV an der Isolationsbarriere fertig. Andere Lösungen würden einen zusätzlichen sicherheitszertifizierten Kondensator benötigen, um die Belastung der Barriere auf ein akzeptables Niveau zu senken.

Ein weiterer sicherheitszertifizierter Kondensator hat neben dem klaren Nachteil der erhöhten Systemkosten noch weitere ungünstige Aspekte, die im nächsten Abschnitt zur Sprache kommen.

Stoßspannungs-Impulse sind breiter und lassen sich deshalb mit sinnvollen CISO-Werten schwieriger filtern. Hinzu kommt, dass die meisten Isolationsbarrieren die in industriellen Systemen verlangten Stoßspannungen von 1 kV bis 2 kV durchaus verkraften, sodass hier keine weiteren Filtermaßnahmen erforderlich sind.

In [2] und [3] sind die Isolations-Spezifikationen und die Beständigkeit der verstärkten Isolatoren von TI gegen transiente Spannungen beschrieben.

Der Stromfluss in Transientenschutzbausteinen

In dem isolierten System aus Bild 2 wird der Stromkreis für ein Transienten-Ereignis am Interface-Pin durch CISO geschlossen. Wenn man beim Design auf einen geringen CISO-Wert achtet, kann diese Kapazität dem Transienten-Ereignis eine beträchtliche Impedanz entgegenstellen und den maximalen Strom, der durch die Transientenschutzbausteine fließt, drastisch reduzieren. Langsamere Transienten wie etwa Stoßspannungen werden sogar mit einer noch höheren Impedanz konfrontiert.

Bild 4 macht deutlich, dass der maximale Strom durch die Schutzbausteine bei einem EFT-Ereignis bei CISO = 10 pF von 20 A bei einem nicht isolierten System auf 1,8 A bei einem isolierten System fällt, was einer Reduzierung um den Faktor 10 entspricht. Die Dauer des Stroms verringert sich sogar auf weniger als ein Zehntel, nämlich von 100 ns auf unter 10 ns.

Ähnlich ist es bei Stoßspannungen. Wie Bild 5 zeigt, geht der maximale Strom hier um einen Faktor von mehr als 40 zurück, während die Dauer des Stroms sogar auf weniger als ein Hundertstel sinkt.

Diese Reduzierung der Amplitude und Breite der Impulse entschärft die Anforderungen an die externen TVS-Bausteine, was die maximalen Strom- und Leistungswerte angeht, sodass diese kleiner und kostengünstiger werden. Die Spitzenleistung bei Stoßspannungs-Ereignissen geht von einigen Kilowatt auf den zweistelligen Milliwattbereich zurück, was eine sehr spürbare Verringerung darstellt.

Bei einem hinreichend niedrigen CISO-Wert und mit einem sinnvollen chipintegrierten Transientenschutz an den Transceivern kann sogar völlig auf externe Schutzmaßnahmen gegen transiente Störgrößen verzichtet werden.

A-Kriterium für EFT- und Stoßspannungs-Ereignisse

Wie bereits angesprochen, geht das Signal an den Interface-Pins für die gesamte Dauer eines transienten Ereignisses unter. Diese Zeitspanne beträgt etwa 100 ns bei einem EFT-Ereignis und 100 µs bei einer Stoßspannung. Die Notwendigkeit, die daraus folgenden fehlerhaften Impulse im Kommunikationskanal auszufiltern, sorgt für Mehrkosten, erhöht die Latenz und verringert den Datendurchsatz.

Da der Strom durch die Transientenschutzbausteine in einem isolierten System von wesentlich kürzerer Dauer ist, sind auch die entstehenden Fehlerimpulse deutlich schmäler. Wie Bild 6 zeigt, dauern die Gleichtaktspannungs-Ausschläge an einem Transceiver oder einer I/O-Schaltung mit einer Gleichtaktimpedanz von 25 Ω möglicherweise nur 6 ns bei einem EFT-Ereignis bzw. 2 µs im Fall einer Stoßspannung. Derart kurze Fehlerimpulse lassen sich einfacher und ohne großen Einfluss auf den Durchsatz ausfiltern.

Die Spannungsausschläge beschränken sich auf wenige Volt, sodass der Transceiver unter Umständen auch ohne jede Filterung normal funktioniert. Dank der Isolation können Systeme also das A-Kriterium erfüllen, ohne dass Einbußen in Sachen Durchsatz oder Latenz in Kauf genommen werden müssen.

Tabelle 1 fasst die Verringerung der Stromspitzen und der Dauer der Spitzen mithilfe der Isolation zusammen, die den Aufwand an Transientenschutzmaßnahmen verringert oder ganz eliminiert. Unter anderem lässt sich die Leistungsspitze bei einem Stoßspannungs-Ereignis von 1,2 kW auf 10 mW reduzieren, und die verringerten Gleichtaktspannungs-Ausschläge bei transienten Ereignissen ermöglichen eine einfache Erfüllung des A-Kriteriums.

Fazit: Störfestigkeit in isolierten und nicht isolierten Systemen

Für das Erzielen guter EMV-Eigenschaften gelten in isolierten und nicht isolierten Systemen unterschiedliche Erwägungen. Die bei ESD-, EFT- und Stoßspannungs-Tests angelegten Leerlaufspannungen können sich als Spannungsbelastung an der Isolationsbarriere äußern, und die im System verwendeten Isolatoren müssen diese schnellen Hochspannungs-Transienten verkraften können.

Der Stromkreis für eine Transiente an den Interface-Pins eines isolierten Systems wird durch die Gesamtkapazität der Isolationsbarriere geschlossen. Indem man durch sorgfältiges Design darauf hinwirkt, dass diese Kapazität gering bleibt, lässt sich dem transienten Ereignis eine erhebliche Impedanz entgegenstellen, um den Spitzenstrom, der in den Transientenschutzbausteinen fließt, drastisch zu reduzieren. Hierdurch müssen diese Bausteine nicht für höhere Leistungen ausgelegt sein, was wiederum die Systemkosten senkt.

Durch die Isolation reduziert sich auch die Dauer, für die die Schutzbausteine die I/O-Pins klemmen müssen, um eine ganze Größenordnung. Die Folge hiervon ist, dass die Breite der Fehlerimpulse auf dem Kommunikationskanal während der EMV-Prüfungen abnimmt, sodass die Systeme das A-Kriterium wesentlich leichter erfüllen als nicht isolierte Systeme.

Literatur

[1] T. Kugelstadt: „Protecting RS-485 Interfaces Against Lethal Electrical Transients”, Application Note (SLLA292A), March 2011.

[2] A. Kamath and K. Soundarapandian: „High-voltage reinforced isolation: Definitions and test methodologies”, White Paper (SLYY063), Nov. 2014.

[3] S. Valavan: „Understanding electromagnetic compliance tests in digital isolators”, White Paper (SLYY064), Nov. 2014.

* Anant Kamath arbeitet als Systemingenieur für Isolationsprodukte bei Texas Instruments in Dallas, U.S. A.

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